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Arbeitslosenquote

 

 

„Guten Morgen, meine lieben Kinder!“, eröffnet der Professor eine neue Unterrichtsstunde.

„Guten Morgen, Herr Professor!“, erwidern die Schüler.

„Heute möchte ich euch erklären, wie die Arbeitslosigkeit in Deutschland gemessen wird. Die sogenannte Arbeitslosenquote wird von der Bundesagentur für Arbeit errechnet. Dabei werden zunächst alle Personen ermittelt, die eine Arbeitsstelle suchen. Das sind jene, die bei der Agentur für Arbeit als arbeitslos gemeldet sind. Außerdem wird die Zahl derer ermittelt, die eine Arbeit haben. Dazu zählen sowohl Angestellte als auch Selbstständige. Zusammen nennt man diese Gruppe ‚Erwerbstätige’. Über diese Gruppen hat die Agentur für Arbeit Statistiken. Sodass sie natürlich nicht erst jede Person einzeln befragen muss. Für eine Prozentzahl wird der Anteil der Menschen ohne Arbeit an allen, die eine Arbeit nachgehen oder nachgehen könnten, berechnet“, erklärt der Professor.

 

 

„Und dann? Was bringt das?“, möchte Chantalle wissen.

„Eine geringe Prozentzahl sagt aus, dass es wenig Arbeitslose in der Bevölkerung gibt. Die Experten sehen darin oft ein Anzeichen dafür, dass es der Wirtschaft gut geht, weil es viele besetzte Arbeitsplätze gibt. Wie ihr in den vergangenen Stunden gelernt habt, ist es immer ein Ziel der Politik, dass möglichst viele Menschen einen Arbeitsplatz haben. Erinnert ihr euch noch warum?“, fragt der Professor.

„Wenn viele Menschen eine Arbeit haben, können sie mehr einkaufen. Wenn mehr eingekauft wird, muss mehr produziert werden. Wird mehr produziert, werden mehr Menschen gebraucht und es können so mehr Arbeitsplätze entstehen“, erwidert René.

„Sehr gut! Das ist ein Grund. Ein weiterer ist, dass Menschen mit einem Arbeitsplatz zufriedener sind, da sie sinnvolles leisten und ihren Lebensunterhalt meistens eigenständig erwirtschaften.

Ein anderer ist, dass jemand, der keine Arbeit hat und keinen Lohn bekommt, vom Staat geholfen wird. Ihm wird Geld gegeben, damit er trotzdem die Miete für seine Wohnung bezahlen kann und sich Lebensmittel kaufen kann. Dieses Geld wird zum einen von jedem Arbeiter in eine große Kasse eingezahlt. Zum anderen sind es aber auch Steuergelder.“

„Ist diese Quote im Moment hoch oder niedrig?“, fragt Marie.

„Momentan ist sie sehr niedrig.“

„Das ist doch gut. Dann sind doch alle zufrieden, oder?“, möchte Chantalle wissen.

„Hmmm… Naja… Personen, die keine Arbeitsstelle haben, werden von der Agentur für Arbeit Fortbildungen angeboten. Diese und die, die aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können, werden beispielsweise nicht mitgezählt.“

„Warum nicht?“, fragt Marie.

„Je geringer die Arbeitslosenquote, desto positiver die Meldung in den Nachrichten. Es besteht ein Interesse, dass diese Prozentzahl möglichst gering ist. Genau genommen sind diese Menschen nicht ‚ohne Arbeit’. Sie befinden sich in einer Ausbildung oder können aus körperlichen Gründen nicht arbeiten. Aus Sicht der Agentur für Arbeit und der Experten sind sie nicht arbeitslos. Es fehlt auch noch die Gruppe, die von der Agentur für Arbeit finanzielle Unterstützung bekommen, da sie trotz ihrer Arbeit nicht genug verdienen. Das werden leider immer mehr. Sie gelten nicht als arbeitslos, da sie eine Arbeitsstelle haben. Ihr Arbeitslohn nicht aber reicht, um beispielsweise die Miete für eine Wohnung zu bezahlen. Daher wird ihnen von der Allgemeinheit geholfen“, erwidert der Professor.

„Das heißt, so ganz kann man dieser Zahl nicht trauen?“, fragt René.

„Es gibt einen sehr berühmten Satz: ‚Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.’ Er stammt von einem berühmten britischen Politiker und macht deutlich, dass man Zahlen, die genutzt werden, um für sich zu werben, immer Hinterfragen sollte. Dazu zählen nicht nur Politiker. Eine Statistik wird immer geführt, um etwas zu belegen oder zu widerlegen. Bevor man einer blind vertraut, sollte man sich damit auseinandersetzten und sich überlegen, wie sie berechnet wird, wer sie ermittelt hat und wer damit etwas aussagen will. Bei einer niedrigen Arbeitslosenquote können die Politiker, die gerade an der Regierung des Landes beteiligt sind, Werbung für ihre Arbeit und Entscheidungen machen. Sie werden sagen, dass es an ihnen und ihren Ideen liegt, dass die Quote so gering ist und viele Menschen Arbeit haben.“

„Stimmt es denn nicht?“, fragt Chantalle.

„Das ist schwer zu sagen. Es kann sein, muss aber nicht! Es dauert oft eine Weile, manchmal Jahre, bis man weiß, ob eine Maßnahme, die zur Senkung der Arbeitslosigkeit führen sollte, auch die erhoffte Wirkung hatte. Der Grund, warum es weniger Menschen ohne Arbeit gibt, muss daher nicht an der aktuellen Politik liegen. Sie kann auch an Entscheidungen, die Jahre zuvor getroffen wurden, liegen. Aber auch an ganz anderen Gründen, auf die Politiker keinen bis sehr wenig Einfluss haben. Ein Beispiel wäre, wenn das Wetter ganz besonders günstig war und es viel Obst und Gemüse zu ernten gibt. Dann werden mehr Erntehelfer benötigt als sonst“, erklärt der Professor.

„Wenn Politiker Zahlen angeben um zu zeigen, was sie für eine erfolgreiche Politik betreiben, dann stimmt es also nicht?“, fragt René.

„So würde ich es auch nicht sagen. Ich möchte euch ermuntern, die Aussagen nicht nur von Politikern und Experten zu hinterfragen, sondern euch auch damit auseinanderzusetzen. Mit Zahlen werden viele Aussagen belegt und Entscheidungen begründet. Es ist wichtig, dass ihr nicht alle diese Aussagen einfach hinnehmt, sondern darüber nachdenkt. Und im Hinterkopf habt, dass in der Regel nur Zahlen verwendet werden, die die eigene Meinung und Absichten unterstützen. Die Fragen, müsst ihr euch stellen“, entgegnet der Professor mit einem Augenzwinkern und beendet die Schulstunde.